Insek­ten­be­kämp­fung hat Tradition

Seien wir ehr­lich, bis­lang wurden Insekten von Men­schen meis­tens bekämpft. Dies sehen wir schon am Begriff „Insek­ten­schutz“. Bisher ist damit der Schutz des Men­schen vor Insekten gemeint und nicht etwa der Schutz von Insekten. Ob Mücken, Raupen, oder Käfer – Tötung, Ver­trei­bung und Bekämp­fung von Insekten hat Tradition.

Schließ­lich ist in der klas­si­schen Land­wirt­schaft schon lange von „Schäd­lingen“ die Rede, die eine Ernte in der hoch pro­duk­tiven Land­wirt­schaft durchaus rui­nieren können. Die Kar­riere der „Nütz­linge“ hin­gegen begann wesent­lich später. Zum Glück nimmt ihre Bedeu­tung im begin­nenden Zeit­alter der Kreis­lauf­wirt­schaft immer weiter zu.

Reich­lich Gründe für Insektenschwund

Dabei gibt es so viele Gründe für den Rück­gang. Zur sys­te­ma­ti­schen Bekämp­fung von Insekten in der Land­wirt­schaft, kommt unser sprich­wört­li­cher Hang zur Ord­nung. Wir betreiben rie­sige Rasen­flä­chen, die nicht blühen und planen Städte u. Parks noch immer ohne Rück­sicht auf Insekten.

Als es noch keine Rasen­mäher-Roboter gab, blieb immer noch ein Fenster von ein bis zwei Wochen, in denen sich auch mal Gän­se­blüm­chen ent­wi­ckeln konnten. Voll­au­to­ma­ti­sche Roboter mähen fast täg­lich. In der kurzen Zeit ist es unmög­lich, eine Blüte zu bilden. Lebens­räume für Insekten werden bisher allen­falls beim Gree­ning für Land­wirte berück­sich­tigt. Und selbst dabei geht es eigent­lich um die Ver­bes­se­rung der Bodenqualität.

Dieser Inter­es­sen­kon­flikt hat bis­lang dazu geführt, dass Insekten bekämpft wurden. Ohne Rück­sicht auf deren Bestand. Diese Welt, in der es Insekten im Über­fluss gibt, die man scheinbar fol­genlos bekämpfen kann, ist vorbei. Leider haben wir den enormen Schwund der Insekten erst viel zu spät bemerkt.

Mehr als 75 Pro­zent Ver­lust an Bio­masse bei Fluginsekten.

Die neue Situation

Mitt­ler­weile haben wir die Flä­chen­nut­zung der­maßen inten­si­viert, dass wenig Lebens­raum für Insekten bleibt. Sie schwinden aus vielen Gründen. Gewerbe, Land­wirt­schaft, Woh­nungsbau, das alles ver­braucht Fläche, die früher Insekten beher­bergten. Für wilde Blüh­pflanzen bleibt immer weniger.

Ein wei­teres Miss­ver­ständnis ist hier auch, dass viele Bürger land­wirt­schaft­liche Flä­chen, wie z.B. Mais- oder Wei­zen­felder, zu den Lebens­räumen für Insekten zählen. Das Gegen­teil ist jedoch der Fall, denn hier werden Insekten bekämpft. Hier müssen wir genauer hin­sehen, um Räume zu finden, die sich wirk­lich für Insekten eignen.

Der Pau­ken­schlag

„Mehr als 75 Pro­zent Ver­lust an Bio­masse bei Fluginsekten.“

Am 18. Oktober 2017 publi­ziert das Wis­sen­schafts­ma­gazin „PLOS ONE“ eine Studie mit dem Titel “ „More than 75 per­cent decline over 27 years in total flying insect bio­mass in pro­tected areas“[1]. Ehren­amt­liche Ento­mo­logen haben dazu Daten von über 60 Stand­orten Zeit­raum 1989 und 2015 gesam­melt und ausgewertet.

Die Ver­eins­mit­glieder sind erfah­rene Insek­ten­kundler und über­wie­gend aus­ge­bil­dete Natur­wis­sen­schaftler. Die Durch­füh­rung und sta­tis­ti­sche Ana­lyse wurde zudem von vielen renom­mierten Wis­sen­schaft­lern der Uni­ver­sity of Sussex (Eng­land) und Rad­boud Uni­ver­sity (Nie­der­lande) begleitet.

Dabei wurde ein umfang­rei­cher Daten­satz über die Insek­ten­bio­masse mit 1.503 Daten­punkten über eine Betriebs­zeit der Insek­ten­fallen von 16.908 Tagen ermit­telt. Dabei ist der Ver­lust dabei nicht spe­zi­fisch für bestimmte Bio­top­typen son­dern betrifft das ganze Offenland.

Die Autoren der Studie ver­muten die Ursa­chen für die Ver­luste in der Land­wirt­schaft, obwohl die unter­suchten Flä­chen Schutz­ge­biete waren. Über 90 Pro­zent der unter­suchten Schutz­ge­biete sind von kon­ven­tio­neller Land­be­wirt­schaf­tung umgeben. Das legt eine direkte und indi­rekte Beein­träch­ti­gung der Insekten sehr nahe. Die Flug­in­sekten bleiben nicht in den Schutz­ge­bieten, son­dern haben Akti­ons­ra­dien von meh­reren hun­dert Metern.

Der mas­sive Ein­satz von Pes­ti­ziden wie Neo­ni­ko­tino­iden oder Pyrethro­iden, macht Insekten ebenso zu schaffen wie syn­the­ti­scher Mine­ral­dünger. Hinzu kommen zu enge Frucht­folgen und das häu­fige Mähen von Grün­land. [2]

Wenn die Insek­ten­bio­masse aber schon in Natur­schutz­ge­bieten so stark zurück­geht, ist es sehr wahr­schein­lich, dass der Zustand von Insekten in Gebieten mit inten­siver land­wirt­schaft­li­cher Nut­zung noch dras­ti­scher ist.

Kli­ma­wandel einer der Fak­toren für Insektensterben

Beun­ru­hi­gendes vom Umwelt-Bundesamt

Auch die Aus­gabe 2018 der Daten zur Umwelt sind beun­ru­hi­gend. In der Publi­ka­tion „Umwelt und Land­wirt­schaft“ werden ferner auch die ver­fehlten Ziele besprochen.

Auch diese Studie geht auf die PLOS ONE Studie ein und bestä­tigt den Rück­gang der Bio­masse von Insekten. Aller­dings führt sie noch eine Reihe wei­terer Stu­dien an, die dieses Bild bestä­tigen. Sie kri­ti­siert ferner, dass obwohl Insekten mehr als zwei Drittel der Land­arten aus­ma­chen, sind die Infor­ma­tionen über ihre Häu­fig­keit und Aus­ster­be­rate in tro­pi­schen Lebens­räumen stark eingeschränkt.

Ana­ly­siert wurden vor­han­dene Daten, die zwi­schen 1976 und 2012 in zwei ver­schie­denen Höhen im Luquillo-Regen­wald von Puerto Rico auf­ge­nommen wurden. Der For­scher Lister unter­suchte dar­aufhin die glei­chen Gebiete mit den­selben Methoden, die bereits seit den 1970er Jahren unter­sucht wurde. Neben der Land­wirt­schaft macht diese Studie auch den Kli­ma­wandel für den deut­li­chen Rück­gang der Bio­masse von Insekten verantwortlich.

Quellen

[1.] Studie publi­ziert im wis­sen­schaft­li­chen Journal PLOS ONE: „More than 75 per­cent decline over 27 years in total flying insect bio­mass in pro­tected areas“
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0185809

[2.] Infor­ma­tion zur Studie auf der Web­site des NABU ein­schließ­lich häufig gestellter Fragen.
https://www.nabu.de/news/2017/10/23291.html

[3.] Studie des wis­sen­schaft­li­chen Maga­zins PNAS (Pro­cee­dings of the National Aca­demy of Sci­ences of the United States of Ame­rika): „Cli­mate-driven declines in arthropod abundance rest­ruc­ture a rain­fo­rest food web“

[4.] Publi­ka­tion „Umwelt und Land­wirt­schaft“, Aus­gabe 2018, Daten zur Umwelt
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/daten-zur-umwelt-2018-umwelt-landwirtschaft
Down­load-Link: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/uba_dzu2018_umwelt_und_landwirtschaft_web_bf_v7.pdf

[5.] Artikel über die PNAS-Studie in der Zeit­schrift Washington Post
Down­load-Link: https://www.washingtonpost.com/science/2018/10/15/hyperalarming-study-shows-massive-insect-loss/?utm_term=.709d85b6405a&wpisrc=al_news__alert-hse–alert-national&wpmk=1